Adaptive Licensing weicht die Standards auf

IQWiG-Chef Jürgen Windeler
IQWiG-Chef Jürgen Windeler

25.03.2016 In den vergangenen Wochen wurden etliche Vorschläge gemacht, was am AMNOG anders werden müsste – die Debatte um die Hochpreiser, gestartet durch den GKV-Spitzenverband in den Tagen zwischen Weihnachten und Silverster, dauert bis heute an. Das Ende des Pharmadialogs naht (12. April), Änderungen des AMNOG werden kommen. Doch während Kassen und Politik (Hennrich) munter über Kompromisse und Mondpreise diskutieren, denkt die Europäische Arzneimittelbehörde laut über eine schrittweise Zulassung neuer Arzneimittel nach. Dies würde bewährte Standards in der Zulassung grundlegend verändern, sagte mir IQWiG-Chef Jürgen Windeler. Für DAZ.online habe ich dies aufgeschrieben. Die Langfassung finden Sie hier.

 

Worum geht es bei Adaptive Licensing? 

Laut Hans-Georg Eichler, Medizinischer Leiter der europäischen Zulassungsbehörde EMA, sollen vielversprechende (promising) neue Wirkstoffe eine schrittweise Zulassung (adaptive Licensing) anstreben können: Auf Basis zunächst weniger Daten aus einer randomisierten Studie wird ein Wirkstoff für eine eingeschränkte, kleine Gruppe von Patienten zugelassen, um dann mit weiteren Daten die Zulassung zu erweitern.

 

Was ist die Kritik an Adaptive Licensing?

Für Jürgen Windeler drängt sich die Frage auf, aus welchem Grund man die erhöhte Unsicherheit, die mit diesem Vorgehen verbunden ist, überhaupt akzeptieren sollte. Die versprochenen Auffangmechanismen ließen sich zudem im deutschen Gesundheitssystem – anders vielleicht als in Großbritannien oder Frankreich – nicht umsetzen.

 

Zunächst gehört bei der Nutzenbewertung der faire Vergleich in randomisierten Studien eindeutig zu den wichtigsten Ankern, natürlich auch bei Zulassungserweiterungen. In Eichlers Modell soll weitere Evidenz zu dem Arzneimittel aber nach und nach mittels Anwendungsbeobachtungen und Registerauswertungen gewonnen werden. Das schwäche einerseits die Aussagekraft drastisch, man könne andererseits die Unternehmen gar nicht dazu verpflichten, sagt Windeler.

 

Eine streng kontrollierte Verordnung, wie sie nach Vorstellungen Eichlers zu Beginn des adaptive Licensing-Prozesses erfolgen muss, sei ebenfalls nicht möglich: Wie soll man in Deutschland regeln, dass nur drei Ärzte oder drei Krankenhäuser zunächst ein neues Arzneimittel verordnen dürfen? Es gebe kaum Sanktionsmöglichkeiten, die Forderungen des adaptive Licensing einzulösen, sagt Windeler. „Die frühere Verfügbarkeit wird erkauft durch höhere Unsicherheit und uneinlösbare Versprechen“.